Sonderprüfung unter Störlichtbogenbedingungen

Abbildung von Störlichtbogen. Auswirkungen eines Störlichtbogens in einem Schaltschrank.

Auswirkungen eines Störlichtbogens in einem Schaltschrank. (Quelle: Hager)

Grundsätzlich werden zwei Arten des Störlichtbogenschutzes unterschieden: der aktive und der passive. Der passive Schutz soll die Entstehung eines Lichtbogens verhindern, beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Störlichtbogens reduzieren. Der aktive Schutz bezieht sich auf einen bereits entstandenen Störlichtbogen. Dieser soll durch geeignete Maßnahmen auf den Entstehungsort begrenzt bleiben und benachbarte Funktionseinheiten und Räume einer Schaltanlage nicht beeinträchtigen.

Schon in der Planungs- und Projektierungsphase können wirksame Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. So stellt bereits die Wahl der inneren Unterteilung (Bauform 1, 2b und 4) bei der Auslegung der Anlage einen Anlagenschutz dar, da auf diese Weise innerhalb der Funktionsräume – Sammelschienenraum, Geräteraum und Kabelanschlussraum – das Eindringen fester Fremdkörper verhindert wird. Damit wird die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Störlichtbogens begrenzt und ein Ausbreiten in benachbarte Funktionseinheiten verhindert. Aber auch die geeignete Auswahl der Geräte beziehungsweise der Kurzschluss-Schutzeinrichtung kann die Folgen eines Störlichtbogens begrenzen. So schalten Leistungsschalter mit Nennströmen von 630 A in einer geringen Zeit von 30 ms ab. Sinnvoll ist auch der Einsatz strombegrenzender Sicherungen, die ebenfalls schnell reagieren und so mögliche Folgen mindern. Führende Hersteller bieten entsprechende Komponenten für einen hohen Anlagen- und Personenschutz an – Hager beispielsweise das bauartgeprüfte Hochstromsystem Unimes H sowie ein umfangreiches Programm an Schutz- und Schaltgeräten.

Sonderprüfung unter Störlichtbogenbedingungen

Eine zusätzliche Störlichtbogensicherheit von Niederspannungsanlagen wird durch das Absolvieren einer Sonderprüfung unter Störlichtbogenbedingungen nach IEC 61641 bzw. VDE 0660 Teil 500 Beiblatt 2 [1] dokumentiert. Diese Prüfung ist keine Bauartprüfung, sondern eine Sonderprüfung, die zwischen Anwender und Hersteller zu vereinbaren ist. Dabei erfolgt die Zündung eines Lichtbogens durch ­einen Zünddraht zwischen den Außenleitern an Punkten mit den höchsten Auswirkungen. Ziel ist es, die Auswirkungen eines Störlichtbogens sowohl hinsichtlich des Personenschutzes als auch hinsichtlich des Anlagenschutzes so klein wie möglich zu halten. Dies wird durch die Einhaltung verschiedener Prüfkriterien sicher ­gestellt.
Prüfkriterien für den Personenschutz:

  • Gesicherte Türen, Abdeckungen usw. dürfen sich nicht öffnen,
  • Teile, die eine Gefährdung verursachen könnten, dürfen nicht wegfliegen,
  • in der äußeren Umhüllung dürfen keine Löcher ent ­stehen,
  • vertikal angebrachte Indikatoren vor der Anlage dürfen sich nicht entzünden und
  • der Schutzleiterstromkreis für berührbare Teile der Umhüllung muss nach der Prüfung noch funktions ­fähig sein.
    Prüfkriterien für den Anlagenschutz:
  • Der Störlichtbogen soll im definierten Bereich (z. B. Feld, Fach) bleiben und es darf keine Neuzündung in den angrenzenden Bereichen erfolgen. Sinnvollerweise wird die Form 2-4 der inneren Unterteilung zur Definition der Bereiche genutzt und
  • es wird geprüft, ob nach Störungsbeseitigung bzw. Abtrennen des definierten Bereichs ein Notbetrieb möglich ist.
    Für einen hohen Störlichtbogenschutz müssen beim Auftreten eines Störlichtbogens in erster Linie die hohen Temperaturen und der dadurch entstehende explosionsartige Druck "in Schach gehalten" werden. Um dies zu erreichen, wurden die Schränke des Systems Unimes H innen mit zusätzlichen Isolierungen versehen.

Darüber hinaus sorgen spezielle Störlichtbogen-Engstellen dafür, dass der Störlichtbogen zu diesen Engstellen geführt wird, um dort kontrolliert abzubrennen. Auf dem Oberteil der Gehäuse montierte Druckentlastungsklappen lassen den Druck aus der Anlage entweichen.

Fazit

Die Möglichkeit eine Niederspannungsschaltanlage ganz oder teilweise freizuschalten, hängt im Wesent ­lichen von der Art der zu versorgenden Verbraucher und der Nutzung des Gebäudes ab. So können zum Beispiel EDV-Anlagen, Rechenzentren, Intensivstationen oder industrielle Prozesse nicht unterbrochen werden, ohne dass dies zu Störungen, gefährlichen Zuständen oder finanziellen Verlusten führt.
Vor allem in sensiblen Bereichen ist die Verfügbarkeit einer NS-Schaltanlage daher von entscheidender Bedeutung. Deshalb sollte bereits in der Planungsphase zwischen dem Betreiber und Hersteller der Schaltgerätekombination die Anforderungen an den Störlichtbogenschutz festgelegt werden. Denn ein effektiver Schutz lässt sich für alle Anwendungen mit vertretbarem Aufwand realisieren und schützt im Fall eines Störlichtbogens vor hohen Folgekosten in Form von Personen- und Sachschäden.

Literatur

  1. DIN EN 60439-1 (VDE 0660-500) ­Beiblatt 2:2009-05 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen – Teil 1: Typgeprüfte und partiell typgeprüfte Kombinationen – Technischer Bericht: Ver ­fahren für die Prüfung unter Störlichtbogenbedingungen. Berlin . Offenbach: VDE VERLAG
Günter Waschbüsch ist als Marktmanager Energie ­verteilung und Zählerplätze für die Hager Vertriebs ­ge ­sell ­schaft mbH & Co. KG in Blieskastel tätig.
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