Grafik zum Thema Smart Home-Systeme

Smart Home-Systeme werden bei Deutschen vor allem deshalb immer beliebter, weil sie Energieeinsparungen versprechen (Quelle: Pixabay)

Intelligentes Wohnen ist so einfach und attraktiv wie nie zuvor, versucht die Industrie den Verbrauchern zu vermitteln. Künftig reicht ein Klick oder Wisch auf dem Smartphone oder Tablet, um verschiedene Funktionen im Haus aus der Ferne zu steuern. Vor der Heimfahrt lässt sich der Temperaturregler der Heizung aktivieren oder die Waschmaschine starten, das spart Zeit und Geld. Während der Abwesenheit kann so die Raumtemperatur gedrosselt und nach der Rückkehr die Wäsche gleich getrocknet werden, ohne den Waschvorgang abwarten zu müssen. Auch bei längerer Abwesenheit schützt das Smart Home mit einer automatischen Rollladensteuerung und Beleuchtung möglicherweise vor Einbrechern.

Schlüsselkomponenten… 

Zentrales Steuersystem eines Smart-Home-Systems ist die sogenannte Home Base, in der die Haustechnik und die Haushaltsgeräte zusammengeschaltet sind und über die ein Fernzugriff über das Internet möglich ist. Sensoren liefern zudem als Messfühler weitere Informationen und erfassen Temperaturen, Feuchtigkeit oder Bewegungen. Sie senden dann entsprechende Signale aus. Diese Signale können von der Home Base an Aktoren weitergeleitet und von ihnen in mechanische Arbeit umgesetzt werden. In vielen Geräten, die im Smart-Home-System zum Einsatz kommen, sind sowohl Sensoren als auch Aktoren enthalten. Der Heizungsthermostat misst deshalb in der Regel auch die Raumtemperatur, um die Wärmezufuhr zu regulieren. Eine schaltbare Steckdose regelt nicht nur die Stromzufuhr zum angeschlossenen Gerät, sondern kann auch deren Energieverbrauch messen.

...und Regeln machen das System intelligent 

„Dadurch, dass die Komponenten in der Home Base zusammengeschaltet sind, funktioniert ein solches Smart-Home-System auch ohne Internetanbindung“, erklärt Thorsten Schneiders vom Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) an der Technischen Hochschule Köln. Allerdings müsse der Systemanbieter die einzelnen Geräte für sein Smart-Home-System zertifizieren und freischalten, damit die Kommunikation der jeweiligen Komponenten auch gewährleistet ist. „Die Anbieter können dann eigene Apps entwickeln, mit denen die Verbraucher die Einzelkomponenten über einfache Programmierbausteine und Regeln programmieren können“, erklärt Schneiders das Prinzip. Eine solche Verknüpfung, etwa über Zeitpläne oder über sogenannte „If-This-Than-That“-Szenarien (IFTTT) steigert den Komfort eines Smart-Home-Systems und sorgt für die entsprechende Intelligenz.

Wohnkomfort und Energieeinsparung im Fokus 

Beim Smart Home geht es aber nicht nur um eine Verbesserung des Wohnkomforts, die Systeme können auch zu deutlichen Energieverbrauchsreduktionen beitragen. Hersteller propagieren in ihren Werbungen Einsparpotenziale von bis zu 30 %. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass entsprechende Systeme bei den Deutschen immer beliebter werden. Laut einer Studie des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK entwickelt sich das Geschäft mit sogenannten Smart-Home-Lösungen „in Richtung Massenmarkt“. 

Allein in den ersten zehn Monaten des Vorjahres war der Umsatz mit entsprechenden Produkten um 10 % auf 3,1 Mrd. Euro gestiegen. Der Markttrend zeigt weiter nach oben.  „Die Verbraucher nehmen die Smart-Home-Systeme an und setzen sie auch sinnvoll ein. Durch die Koppelung mit mobilen Endgeräten, etwa über eine App, entsteht auch ein stärkeres Bewusstsein für den Umgang mit Energie“, bestätigt Schneiders. 

Gemeinsam mit der Kölner RheinEnergie hat er 2015 in der Stadt Rösrath ein Forschungsprojekt gestartet. Über 100 Haushalte wurden kostenlos mit Smart-Home-Systemen ausgestattet, um festzustellen, wie viel Energie durch diese Systeme eingespart werden kann und wie groß die Akzeptanz beim Endverbraucher ist. Konkrete Aussagen zu den erzielten Energieeinsparungen will Schneiders noch nicht machen. Die Auswertungen dazu laufen noch, das Projekt wird Ende 2017 abgeschlossen, sagt er. 

Ohnehin hat Schneiders bei seinen Untersuchungen auch mehr die Nutzung von Smart Home als Alternative zur energetischen Sanierung von älteren Wohngebäuden im Blick. „70 Prozent des Gebäudebestands in Deutschland ist energetisch veraltet. Hier kann man mit Smart Home recht einfach Heizwärme einsparen“, erklärt Schneiders. Dafür gibt es schon recht simple einzubauende Lösungen. So bietet der Berliner Netzwerkspezialist AVM, Hersteller der beliebten Fritz-Boxen, für seine Router Zusatztools, mit denen Heizungen reguliert oder Haushaltsgeräte mittels fernsteuerbarer Steckdosen gesteuert werden können. Die Datenübertragung erfolgt dabei über den Funkstandard DECT, der ursprünglich für die schnurlose Telefonie entwickelt wurde.

Kommunikation über Funk oder Kabel 

„Die Funkübertragung ist der Knackpunkt im Smart Home. Es gibt sehr viele unterschiedliche Funksysteme und Kommunikationsprotokolle im Markt, die untereinander nicht kompatibel sind“, kritisiert Schneiders. Zudem sei die Funkübertragung, insbesondere über den beliebten WLAN-Standard, sehr energieintensiv, so dass die Smart-Home-Komponenten zumeist immer über eine eigene Energieversorgung verfügen müssen. 

In seinem Forschungsprojekt in Rösrath hat Schneiders auf Qivicon gesetzt, ein System, das auch von der Deutschen Telekom und vielen namhaften Geräteherstellern unterstützt wird. Dieser Funkstandard sei bei der Übertragung weniger energieintensiv, so dass viele Komponenten per Batterie betrieben werden. Neben der Funkübertragung gibt es für die Kommunikation im Smart Home noch kabelbasierte Bussysteme, wie zum Beispiel KNX. „KNX stammt aus der professionellen Gebäudeautomation und erfordert die Verlegung zusätzlicher Signalleitungen, was in Privathaushalten häufig zu aufwändig ist“, erklärt Schneiders. 

Als Alternative zum Funksystem bieten sich außerdem Powerline-Systeme ohne Busleitungen an, die digital über das Stromnetz im Haus kommunizieren. Während die kabelbasierten Systeme vor allem in Neubauprojekten unkompliziert eingebaut werden können, eignen sich für die Nachrüstung von Bestandsgebäuden vor allem die funkbasierten Systeme. 

Neben der Kommunikation ist im Smart Home die Verknüpfung der Haustechnik wichtig. Vor allem im Wärmebereich sieht Schneiders hier noch Potenzial. „In Zukunft müssen sicher auch Heizungsregler mit der Umwälzpumpe und der Heizungsanlage per App gekoppelt werden“, sagt Schneiders. Auch die Integration von Energiespeichern in ein Smart Home sei sinnvoll. Mit aktuellen Wetterprognosen und einer Erzeugungsdatenbank lässt sich die eigene Photovoltaikanlage intelligent für den Betrieb von Haushaltsgeräten einsetzen. Der Systemanbieter SMA Solar bietet per Bluetooth angesteuerte schaltbare Steckdosen an, an die sich beispielsweise eine Waschmaschine anschließen lässt. Das System kann so programmiert werden, dass die Wäsche erst gewaschen wird, wenn besonders viel eigener Strom genutzt werden kann. Weitere Entwicklungstrends erwartet Schneiders im Bereich der Sprachsteuerung sowie bei der Sicherheit, etwa durch Abwesenheitssimulationen, die Gebäudeüberwachung oder für Funktionen des altersunterstützen Lebens.

Zwischen smart und sinnlos 

Was aber ist dann mit den Kühlschränken, die uns von der Industrie als „smart“ angepriesen werden, weil sie uns über eine eingebaute Kamera ein Live-Bild in den Supermarkt aufs Handy schicken, damit wir gezielt unsere Vorräte aufstocken können? „Wir werden noch viele überraschendende und ungewöhnliche Neuigkeiten sehen“, lacht Schneiders, ist aber überzeugt, dass sich das noch einspielen wird. „Die Verbraucher werden sehr genau schauen, was sinnvoll ist“, zeigt er sich überzeugt. 

Vor allem der finanzielle Mehraufwand für ein Smart Home werde von den Konsumenten abgewogen werden. So sei die Überwachung eines Ferienhauses anders zu bewerten, als etwa die Haustier-Überwachung daheim. Und wie steht es mit der Ökobilanz von Smart-Home-Komponenten? „Bei modernen Smart-TV ist der Stand-By-Verbrauch so gering, dass eine schaltbare Steckdose gar nicht mehr erforderlich ist“, sagt Schneiders. Das ist gut zu wissen. Dann kann der Verbraucher die Steckdose an seine alte Kaffeemaschine klemmen und spart sich so die Anschaffung eines neuen smarten Brühgerätes. Denn wozu braucht er ein „intelligentes“ Neugerät, dem er über eine App mitteilt, dass er morgens um 6:30 Uhr einen Kaffee braucht. Das funktioniert auch mit einer simplen Zeitschaltuhr. Genial wird es erst dann, wenn die Kaffeemaschine sich mit smeiner Smart-Uhr verbindet, smeine Vitalwerte ausliest und nach der Datenanalyse feststellt, dass er müde ist und ihm dann einen entsprechend hochdosierten Koffeinflash aufbrüht. Bis es so weit ist, wird aber sicher noch einige Zeit ins Land gehen.

Dieser Beitrag ist in SW&W 7+8/2017 erschienen.

Kai Eckert

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